Versandkosten: Neun Fehler, die Händler ausbremsen

Falsche Versandpolitik: Neun Fehler, die Händler ausbremsen Foto: Simon-Kucher & Partners Fotograf: Simon-Kucher & Partners

Obwohl sich der Negativtrend im E-Commerce weiter fortsetzt, ist die Versandpolitik vieler Händler kurz vor Hochsaison mangelhaft. Die Folge: Zahlreiche Käufe werden abgebrochen. Was Händler falsch machen? Und wie der Spagat zwischen wettbewerbsfähigen Kundenvorteilen und steigenden Kosten noch vor dem Black Friday gelingen kann? Dr. Tobias Maria Günter und Markus Goller, Experten in der Retail Practice von Simon-Kucher, erklären, worauf es ankommt.

Verbraucher schränken ihren Konsum ein, der Wettbewerbsdruck steigt. Gleichzeitig wird es für Händler immer teurer, ihre Ware zu versenden. Ein Dilemma kurz vor dem Weihnachtsgeschäft. Jetzt gilt es die neun folgenden Fehler zu vermeiden.

1. Pauschale Versandkosten

Undiffernzierte Versandkosten, die nicht auf die Marktumgebung abgestimmt sind? Ein großes Problem. So wie die Lieferung eines Sofas in der Regel mehr kostet, als die eines Bilderrahmens, darf auch der Versand von einem Armband mehr kosten, als der Versand von drei Uhren. Warum? Weil Versandkosten nicht nur nach Gewicht, sondern auch nach Marge berechnet werden sollten. Natürlich gilt es dabei Industrie-Standards, die Erwartungen der Kunden und das Vorgehen von Kern-Wettbewerbern zu beachten.

2. Kein oder falscher Mindestbestellwert

Ebenfalls fatal: Viele Händler verzichten auf einen Mindestbestellwert für kostenlosen Versand. Hier wird die Chance verpasst, die Warenkorbgröße optimal auszugestalten und ein effizientes Versandvolumen zu erreichen. Wichtig aber ist: Der Mindestbestellwert muss zur Produktwelt passen. Bei Großelektronik sind 500 Euro kein Problem, bei simplen Drogerieartikeln schon.

3. Keine Angebote für preissensible Kunden

Lieferkosten angeben und sich dann wundern, dass preissensible Kunden nichts kaufen? Ein typisches Phänomen. Was hier vergessen wurde? Es braucht Notausgänge für preissensible Kunden, also z. B. Coupons für Gratis-Lieferungen, definierte Zeitfenster ohne Versand-Gebühren (z. B. Aktionszeiträume), und/oder Loyalty-Programme für kostenlosen Versand.

4. Nur Standardversand anbieten

Fünf Tage Lieferzeit, obwohl das Geschenk für die Geburtstagsfeier schon übermorgen gebraucht wird? Hier wird wohl niemand auf Bestellen klicken. Wer heute keine alternativen Versand-Optionen anbietet, verpasst wichtige Einnahmen. Neben Expresslieferung, sollten auch flexible Lieferzeiten und Wochenend-Lieferungen in Betracht gezogen werden. Wichtig: Alternativen – über den Standard-Versand hinaus – gilt es entsprechend des Mehrwehrts für den Kunden zu monetarisieren und nicht kostenlos anzubieten.

5. Versand nicht fürs Marketing nutzen

Was die Marketing-Abteilung beim Meeting zur Versandstrategie verloren hat? Ganz schön viel! Ob CO2-Ausgleichszahlung, Re-Use von Kartons, reduzierter Plastikverbrauch oder digitale Rechnungen: Nachhaltige Initiativen rund um den Versand sollten aktiv kommuniziert werden. Auch im digitalen Warenkorb. Das dient nicht nur der Kundenbindung, sondern hilft auch bei der Markenpositionierung.

6. Kostenfreie Retouren für alle Produkte anbieten

Retouren gelten aus Händlersicht als „Gewinnvernichter“, werden von deutschen Konsumenten aber oft vorausgesetzt. Trotzdem ist es wichtig zu differenzieren. Bei besonders großen oder extrem schweren Produkten wie Möbeln, Sportgeräten etc. sollten Retouren kostenpflichtig sein. Gleichzeitig kann ein Mindestbestellwert für gratis Retouren helfen, den Kostenfaktor einzudämmen. Einzige Ausnahme: Beschädigte Waren. Diese sollten immer ohne Aufpreis zurückgesendet werden können.

7. Keine Maßnahmen gegen Bracketing

Sieben Vasen bestellen, weil man sich unsicher ist, welche am Schönsten aussieht? Wer mehrere ähnliche Produkte bestellt, aber vorhat nur eins zu behalten, betreibt Bracketing. Ein Albtraum für Händler – vor allem bei kostenlosen Retouren. Wie Händler den Schaden eingrenzen können? Indem sie z. B. kostenfreie Retouren nur in Filialen zulassen, zwar Retourkosten erheben doch diese als Gutschein erstatten oder kostenfreie Retouren nur unter der Bedingung gestatten, dass man einen Nutzeraccount besitzt, kein einziges der Produkte behält oder zurückgeschickte Ware direkt gegen andere Produkte umtauscht.

8. Kosten sind nicht transparent

Unerwartete Versandkosten, versteckte Gebühren: das verdirbt das Shopping-Erlebnis. Wer beim Check-Out einen höheren Betrag zahlen soll als erwartet, bricht den Einkauf wohl ab. Ebenso fatal: Mit einer kostenfreien Lieferung werben, wenn es einen Mindestbestellwert oder anderweitige Bedingungen gibt. Händler können es sich nicht leisten, das Vertrauen ihrer Kunden zu verspielen. Und machen es oft dennoch. Richtig wäre: Versandbedingungen über die komplette Customer Journey klar kommunizieren. Und statt falscher Versprechen lieber den noch offenen Betrag anzeigen, ab dem der Versand kostenlos wird. Das ist dann auch Anreiz, weitere Produkte in den Warenkorb zu packen. Eine Win-Win-Situation.

9. Auf Bauchgefühl statt Daten setzen

Feldexperimente zum Bestellverhalten sind Zeit- und Geldverschwendung? Wer so denkt, setzt seine Kundschaft aufs Spiel. Tatsächlich ist es wichtig, durch regelmäßige Tests Kundenreaktionen zu messen, Versand- und Retourkosten entsprechend zu optimieren und die Auswirkungen der angepassten Versandpolitik auf Bestellanzahl, Bestellhöhe, Kaufmuster und Kundenreaktionen erneut zu testen.

Das Fazit? Wer seine Versandpolitik optimiert, kann nicht nur seine Einnahmen erhöhen, sondern auch Marke und Kundenbindung stärken. Händler sollten die eigene Strategie daher regelmäßig prüfen.

PM/ Linda Katharina Klein