Zunehmender Fachkräftemangel, sinkendes Employee Engagement und der aktuelle Megatrend „Quiet Quitting“ – wer sich dieser Tage den klassischen wie sozialen Medien nicht ganz verschließt, kann in Sachen Arbeitsmarkt in Deutschland fast nur noch den Weltuntergang heraufziehen sehen. Neue Studien zeigen, dass den Deutschen der Beruf immer weniger bedeutet, ein Großteil die Arbeit gern auf Teilzeit, eine 4-Tage-Woche oder gar auf null reduzieren würde.
Aus rund 10 Millionen Antworten bei Mitarbeiterbefragungen weltweit können die Experten der Leadership- und HR-Beratung Kincentric bestätigen: Die stille, innere Kündigung ist auch hierzulande ein zunehmender Trend. Handeln heißt die Devise, besser jetzt als später. Kincentric zeigt, welche Hebel Führungskräfte nutzen sollten, um die Distanzierung ihrer Mitarbeitenden zu stoppen.
Mitarbeitende sind das zentrale Asset eines jeden Unternehmens und ausschlaggebend, dass die strategischen und wirtschaftlichen Geschäftsziele überhaupt erst erreicht werden. Aber die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen und Prioritäten zuungunsten der Karriere verschoben. Jüngere Generationen haben andere Ansprüche als ihre älteren KollegInnen und gerade in allgemein verunsichernden Zeiten werden diese Tendenzen noch einmal befeuert. Bestes Beispiel dafür ist das jüngste Phänomen Quiet Quitting – zu Deutsch: Die stille, innerliche Distanzierung Mitarbeitender vom Unternehmen. Um Problemen wie diesen entgegenzuwirken, reichen materielle Benefits wie unbegrenzter Urlaub, Fitnessstudiokooperationen und die obligatorischen Obstkörbe nicht mehr. „Inspirierende Führung, erlebte Sinnhaftigkeit und eine authentische Unternehmenskultur entscheiden am Ende darüber, ob jemand in seinem Job bleibt, nicht die Anzahl der Urlaubstage oder schicke Retreats. Seine Mitarbeitenden zu verhätscheln reicht heute einfach nicht mehr“, erklärt Dr. Stefan Mauersberger, Partner bei Kincentric.
Quiet Quitting als Resultat mangelnder Employee-Engagement-Strategie
Wer diese Stellschrauben jedoch zu lange ignoriert hat, riskiert mitunter sogar die mögliche Kündigung seiner Mitarbeitenden. Dabei geht es bei Quiet Quitting nicht um fehlende Motivation seitens der Mitarbeitenden, die ist durchaus vorhanden, wie Dr. Mauersberger weiß. „Allerdings gilt in der Post-Corona-Ära eine andere Priorisierung – die Arbeit als alleinige Motivationsquelle reicht nicht mehr aus. Die Leute wollen mehr als geradlinig die Karriereleiter hinaufklettern. Hinzukommt, dass viele Mitarbeitende durch die sprunghaft angestiegene Arbeitsbelastung – unter anderem durch die Unterbesetzung vieler Abteilungen – ausgebrannt sind“, so Mauersberger.
Quiet Quitting ist weder ein neuer, noch temporärer Trend, da sind sich die Experten einig. Wer als Führungskraft jetzt nicht schnell und konsequent handelt, riskiert seine Mitarbeitenden langfristig zu verlieren. Kincentric definiert sechs Stellhebel, um Quiet Quitting erfolgreich entgegenzuwirken:
- Grenzen setzen & respektieren. Viele Mitarbeitende haben aktuell ihre Belastungsgrenze erreicht – und das sollte auch offen kommuniziert werden dürfen. Nicht jede Aufgabe ist ein Feuer, das sofort gelöscht werden muss. Führungskräfte sollten ihre Mitarbeitenden ermutigen, Prioritäten zu setzen. Und diese auch respektieren!
- Gelebte Freiräume. Urlaub ist Urlaub, das heißt: arbeitsfreie Zeit! Das gilt für Führungskräfte genauso wie für Mitarbeitende. Wer seinen Angestellten nicht vorlebt, dass es wichtig ist, sich bewusste Freiräume zu nehmen, riskiert seine Mitarbeitende langfristig zu verlieren.
- Work-Life-Balance war gestern. Home Office und agile Arbeitsweisen haben zu einem Verschwimmen zwischen Beruflichem und Privatem geführt. Die klare und strikte Trennung ist entscheidend für das Wohlbefinden und somit auch für das Mitarbeiter-Engagement.
- Schweigen ist Silber. Reden ist Gold. Führungskräfte müssen wissen, was ihre Mitarbeitenden bewegt und antreibt. Regelmäßige Mitarbeitergespräche können dazu beitragen, die Fluktuationsrate signifikant zu verringern.
- Die richtige Balance finden. Ein Ausgleich zur Arbeit ist wichtig – das sollten Führungskräfte nicht nur vorleben und anerkennen, sondern gemeinsame Interessen zwischen Kollegen und Kolleginnen fördern.
- Zuhören als essentielle Basis für eine starke Engagement-Kultur. Unternehmen müssen die Sorgen und Anliegen ihrer Mitarbeitenden hören. Und allen voran: Diese auch ernstnehmen! Wer Engagement-Kultur vorantreiben will, muss die Gründe kennen, warum Mitarbeitende sich nicht gänzlich engagieren.
„Es ist höchste Zeit, den Fokus wieder stärker auf echte Werte zu setzen. Augenscheinliche Benefits helfen nicht, die Mitarbeitenden vor einem Wechsel aufzuhalten oder an das Unternehmen zu binden. Jeder Einzelne muss auch tatsächlich als Individuum gesehen werden und sich mit der Unternehmenskultur identifizieren“, hält Stefan Mauersberger fest. Dabei ist es auch unverzichtbar, den Mitarbeitenden im Job entsprechende Freiheiten einzuräumen, ihre Privatsphäre zu respektieren und ihnen diese vor allem auch zu ermöglichen: „Statt Obstkörben bedarf es einer nachhaltigen Unternehmenskultur, da sich die Rahmenbedingungen verschoben haben. Vielleicht ist es auch einfach wieder der richtige Schritt zurück zu einer ausgewogenen Work-Life-Balance, für die sich keiner rechtfertigen muss.“
PM/ Judith Spießberger & Carolin Reiter